Das Leben einer serbischen Französisch-Koryphäe in Deutschland

„Damaris, was hast du mir gegeben?“ – Die Frau mit der tiefen Stimme und dem rollenden „rr“ beantwortet ihre Frage gleich selbst: „Nichts! Und was habe ich dir gegeben? Fünf Punkte!“

Oh nein, Frau Mitic, nicht nur fünf Punkte, denn dann hätte es sich ja gar nicht gelohnt, Russisch in 11.1 anzuwählen! Warum sollte man denn nach zwei Jahren Französisch bei Frau Mitic, die man mit einer glatten Fünf abschließt, nochmals eine neue Fremdsprache wählen? Bestimmt nicht wegen meiner Begeisterung für Sprachen, die in Verbindung mit Faulheit wirklich keine berauschenden Ergebnisse bringt!

Ich wählte also das Fach Russisch nur, um ein wenig Spaß zu haben und nebenbei gegebenenfalls noch etwas kyrillische Schriftzeichen zu lernen. Einige werden mich jetzt für verrückt erklären, aber mindestens genauso viele werden mir zustimmen, daß Frau Mitic den Spaß wert ist. Nicht, daß es immer angenehm gewesen wäre in ihrem Unterricht. Vor allem, wenn man krampfhaft versucht, russische Fragen zu beantworten und dann gesagt bekommt: „Nein, das heißt ‘...’!“ – „Aber das habe ich doch gesagt, Frau Mitic!“ – „Was ich nicht höre, ist falsch!“ Danke, jetzt weiß ich Bescheid!

Schon zu Französisch-Zeiten verstand Frau Mitic es, sich Ruhe zu verschaffen: „Channah, Christina, chört sofort auf zu reden!“ – „Aber wir haben doch gar nichts gemacht!“ – „Dann chört trotzdem damit auf!“ Und wenn solche Ermahnungen nicht reichten, hieß es: „Bodil, Inga, ich kann noch lauter brüllen, dann fliegt ihr vom Stuhl!“ Das zeugt von der imposanten Stimmgewalt dieser Lehrperson.

Doch nicht nur Frau Mitic’s Stimme ist gewaltig; nicht umsonst lautet ihr Lebensmotto: „Ich esse, also bin ich!“ Eine gut durchdachte Aussage, der man nichts entgegensetzen kann. Man sieht: Die Frau hat Sinn für Humor. Doch nicht nur in diesem Bereich. Ich erinnere mich an eine Russisch-Klausur, bei der Frau Mitic zwanzig Fehler in einem Lückentext und ansonsten einen ganzen Satz Text im Heft fand. Ihr einziger Kommentar dazu war: „Du hättest mir wenigstens einen Gruß unter deine Klausur schreiben können, wenn du schon nichts weißt!“ – Stimmt, hätte ich tun können. Ob ich dann vier anstatt nur drei Punkten bekommen hätte? Wer weiß.

Leider wurde unsere Zeit mit Mirjana immer wieder durch den ‘Versuch einer Unterrichtsgestaltung’ durch die verschiedenen Referendare getrübt. O-Ton Mirjana: „Schreibt das nicht mit, das ist falsch!“

Wir überlebten dies nur in Hoffnung auf bessere Zeiten. Doch man kann nicht sagen, daß wir Frau Mitic nichts beigebracht hätten: So z.B., daß in Deutschland die Kartoffeln im Winter mit der Spitzhacke geerntet werden.

Man kann sagen, daß die Zeit für beide Seiten ‘sehr wertvoll’ war. In diesem Sinne wünschen wir allen viel Spaß, die Mirjana noch erleben werden. Doswidanje!!!


Damaris Vorländer

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