Antiparallele Welten

Dank neuester Technologien war es uns möglich, einen Blick in eine Abi-Zeitung eines Parallel-Universums zu werfen. Das HGW gibt es dort auch, nur haben die Lehrer bis auf Namensähnlichkeit mit den unseren relativ wenig gemein...

[Hinweis: Nur Insider werden in der Lage sein, alle Stufen der Ironie korrekt zu interpretieren; andere nehmen bitte je nach Stimmung entweder auch das vermeintliche Gegenteil der Aussagen nicht allzu ernst oder das schlimmste an. :-) ]

Dr. Firgitta Baber
Über die zugeknöpfteste Lehrerin des HGW (zutiefst ironisch auch ‘Laber Baber’ genannt) ist so gut wie nichts bekannt. Manchem Kurs verschweigt sie sogar ihr Haustier-Erlebnis Nr. 344 vom 8. März 1986. So richtig geschwätzig wird sie eigentlich nur in der Rolle der Klausur-Aufsicht – was sie leider nicht davon abhält, die sich eventuell beratenden Schüler zu ermahnen oder ihnen das Heft zu entreißen. Falls sie aber mal in der normalen Unterrichtszeit nach stundenlangem Bitten der vor ihr sitzenden, lernbegierigen Klasse doch eine fiktive oder auch historische Geschichte erzählt, stimmt sie besagte Horde todtraurig, weil ihre Erzählung jegliche Betonung vermissen läßt, ja geradezu einschläfernd leise und monoton klingt. Alles in allem haben ihre introvertierten Verhaltensweisen einen außerordentlich schlechten Ruf unter den Schülern zur Folge, ein Auftauchen ihres Namens auf dem Stundenplan gilt bei den meisten als glatte Katastrophe.
Prädikat: Verschwiegen.

Fagmar Docke
Mit einem so beliebten Fach wie Deutsch hat es Frau Docke leicht, die finale Motivation ihrer Schüler bereits in der ersten Unterrichtswoche nach den Ferien zu erreichen. Zum Vorlesen der Hausaufgaben melden sich daher so viele Schüler, daß ihr die Freudentränen zunächst einmal minutenlang über die Wangen rollen. Sich so gegenseitig motivierend steuern Kurs und Lehrerin gemeinsam das Abitur an, wobei sich Grundkurs-Schüler entweder fragen, wieso sie dieses begeisternde Fach eigentlich nicht als LK gewählt haben oder glücklich sind, dies gerade nicht getan zu haben, weil sie dann ja bei einem anderen Lehrer gelandet wären. Frau Docke hingegen bevorzugt eindeutig den Grundkurs, da dort ja die Schüler sitzen, die von den Vorzügen des Faches Deutsch erst noch überzeugt werden müssen; und diese schwere Aufgabe zumindest ein paar hundert mal zu bewältigen, hat sie sich zu ihrem Lebensziel gesetzt. Trotz alledem wird sie hinter vorgehaltener Hand leider hemmungslos kritisiert.
Prädikat: Liebe ist...

Traude Getremmert
Frau Getremmert hat ein – zumindest rein verbal – extrem kollegiales, ja geradezu mütterliches Verhältnis zu ihren Schülern. Im Flüsterton bittet sie die still arbeitende Klasse, doch bitte durch laute Diskussionen über private Themen das unerträgliche Silentium der Kunststunde zu übertünchen. Im Sportunterricht verhält sie sich eher gegenteilig und regt die hyperaktiven Schüler mit wohlgewählten Worten an, auch mal eine Pause einzulegen. Besonders liegt ihr die Gesundheit ihrer Schützlinge am Herzen, so daß sie jenen nur in desinfizierten und voll klimatisierten Räumen Bewegung erlaubt. Im Ernstfall legt sie allerdings auch mal die ein oder andere Hemmung ab und teilt den Schülern bei zu hoher Luftfeuchtigkeit und Minusgraden mit, daß es draußen gerade so schön unwirtlich sei und besonders die Kerngesunden der Klasse diese Situation doch zum Besorgen einer Lungenentzündung nutzen sollten. Manchmal haben die Schüler sogar bei ihr ungerne Sport, rein privat wird sie vollends unsympathisch.
Prädikat: Wolf im Schafspelz.

Janz-Henning Jirsik
Herr Jirsik ist bekannt dafür, im Physikunterricht jederzeit Herr der Lage zu sein; bei Gesprächen genauso wie bei Experimenten, die übrigens immer im ersten Anlauf funktionieren und die er so druckreif beschreibt, daß der komplette Kurs vor Neid erbleicht und ihm jegliches Lachen vergeht, wenn ein solches Experiment wieder einmal bevorsteht. Versprecher kommen kaum vor; und selbst wenn, dann korrigiert er sie natürlich sofort wieder. So gehört sich das schließlich für den heimlichen Chef der Fachschaft.
Prädikat: Konzentriert.

Dr. Darl-Nieter Kies
Herr Dr. Kies zeichnet sich zuallererst durch sein stocksteifes Sitzen im 90°-Winkel am für den Lehrer vorgesehenen Tisch aus, seine Arme scheinen wie an der Tischplatte festgeklebt. Die Bewegungsarmut seines Körpers bleibt auch beim Schreiben an der Tafel nahezu komplett erhalten, wodurch seine Buchstaben nur mit einer Lupe zu finden sind, dann allerdings auch direkt in computerlesbar exakter Schrift. Wie in Sachen Gestik ist er auch verbal eher eine Null, da seine Sätze aus maximal vier Wörtern der ungebildetsten Umgangssprache bestehen, von der Nicht-Benutzung moderner Worte wie ‘gewiß’ ganz zu schweigen. Jeden noch so themenbezogenen Beitrag eines Schülers lehnt er mit einem knappen „Nein!“ ab und nimmt, ohne jegliche Stellung dazu zu beziehen, gleich den nächsten Schüler seines nie zu großen oder zu kleinen Kurses dran. Zum Glück besagter Schüler betritt er den Unterrichtsraum übrigens konsequent erst fünf Minuten vor Stundenende, so daß das ungehinderte Beenden von Privatgesprächen aus der Pause jederzeit gewährleistet ist.
Prädikat: Unspektakulär.

Kilka „Anti-Kaffee“ Rafft
Frau Rafft beginnt den Unterricht immer bereits zehn Minuten vor dem Gong, damit ihre Kollegen ja nicht Gelegenheit dazu haben, sie zum Trinken einer kleinen Tasse ihres Haß-Getränkes, dem Kaffee, zu überreden. Die dadurch 55-minütigen Schulstunden werden nun in allem Luxus unter Zuhilfenahme modernster Medien gestaltet, wenn auch die Schüler ob ihres wachsamen Adlerauges keine Chance haben, den intensiven Unterricht auch nur durch das ledigliche Hervorholen eines Kartenspiels in seiner Wirkung zu hemmen. Als Avantgardistin in Sachen ‘Papierloses Büro’ fördert sie auf breiter Front den Eindruck der Schüler, sich in einer 3D-Multimedia-Show zu befinden – Surround-Sound und Internet inklusive.
Prädikat: Alte Schule – postmodern.

Sylvia Seife
„Sylvie“ ’s Unterricht konzentriert sich ausnahmslos auf das Wesentliche; fachfremde Gespräche mit den Schülern sind für sie tabu. Durch ihre durchgehend schlechte Laune täuscht sie hinterlistig die Schüler, so daß alle bei jeder Klausur mit einer Sechs rechnen. Zudem vermeidet sie es konsequent, ihren Kursen auch nur ein einziges Eis zu spendieren, geschweige denn Essen und Getränke für Kurstreffen. Und wenn sie die Schüler doch darauf ansprechen, besteht sie darauf, selbst keinen einzigen Pfennig dafür ausgeben zu müssen, da sie zu Hause allein eine zehnköpfige Familie zu ernähren hat. Das einzig Positive an ‘Frau Seife’ – wie sie von ihren zahlreichen Feinden genannt wird – ist die dank Unwahrscheinlichkeitsantrieb mit Überlichtgeschwindigkeit vor sich gehende Rückgabe der Klausuren; obwohl sie sich diese Akkordarbeit dreisterweise von den Schülern durch Backwaren kompensieren läßt. Die Unterrichtsstunden selbst sind äußerst strapaziös; so drängt sie die armen Schüler dermaßen zur Arbeit (in einer Woche verbraucht man zehn Hefte allein für die Hausaufgaben), daß die Themen immer schon kurz nach Quartalsbeginn zu Ende behandelt worden sind. Eine Schande sind auch ihre Tafelbilder, die – genau wie ihre Klausurkommentare – total säuisch kreuz und quer durch die Weltgeschichte gekrakelt sind.
Prädikat: Streß pur.
PS: Nachdem sie in den Vorklausur-Prozessen als Kronzeuge gegen Schüler ausgesagt hatte, verschwand Sylvie Ende April im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes spurlos. Ihren Beliebtheitsgrad zu übertreffen dürfte für ihre Nachfolgerin, Frau Sorenz, ein Kinderspiel werden.

Schalter Wichlein
Bei Herrn Wichlein lernt man schlicht und ergreifend überhaupt nichts; auch mit der Disziplin in den von ihm unterrichteten Klassen bzw. Kursen ist es nicht weit her. Statt den Schülern den Fachinhalt näherzubringen, hält er während der gesamten Unterrichtszeit Schwätzchen mit ihnen – besonders gern mit Schülern anderer Schulformen –; Privatgesprächen ohne seine Beteiligung läßt er kulanterweise ebenfalls freien Lauf. Ähnlich relaxt geht es in Sachen Fünf-Minuten-Pause zu: Der pünktliche Beginn derselben ist ihm geradezu heilig, das Ende dagegen erfahrungsgemäß offen. Ein negativer Aspekt seines Unterrichtsstils ist leider die für die Schüler uninteressant-stressige Vermittlung fachfremder Allgemeinbildung, die Herr Wichlein sowieso nicht besitzt. Hingegen weigert er sich partout, seine Lebenserfahrung in kurzen Einschüben mit den Schülern zu teilen. Sowohl vor jeder Unterrichtsstunde als auch vor jeder Klausur stellt er sich hinters Lehrerpult und erzählt den Schülern – insbesondere denen, die in der vergangenen Stunde gefehlt hatten – brühwarm, was zuletzt durchgenommen wurde und verteilt dann Einsen an diejenigen, für die er den Stoff am häufigsten wiederholen muß. Besonders achtet er jedoch darauf, die schriftlichen Leistungen der Schüler keinesfalls überzubewerten oder gar einen Einfluß auf die mündliche Note haben zu lassen. Nicht auf unbegrenzte Zustimmung auf Schülerseite trifft der Verfechter der Pop-Kultur der 90er Jahre allerdings mit seiner grundsätzlichen Weigerung, einem falsch geantwortet habenden Schüler durch geschicktes Anbringen einer Multiple-Choice-Frage doch noch zu einer korrekten Antwort zu verhelfen; auch rhetorische Fragen à la „Ist das so?“ hat er schon vor Jahrzehnten aus seinem Wortschatz gestrichen.
Prädikat: Bemüht trendy, aber erfolglos.


Urs Enke

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